Entwicklungen nacb dem Ersten Weltkrieg in Gletsch und andernorts
 
 

Krisenjahre. Während des Ersten Weltkrieges und in den darauffolgenden Krisenjahren bedurfte Joseph Seiler der finanziellen Unterstützung seiner beiden Brüder Alexander und Hermann, die sich ihrerseits nach dem Hinschied der Eltern dem Zermatter Teil des Unternehmens zugewandt hatten und seit 1907 am Geschäft in Gletsch nicht mehr beteiligt waren. Um die anderen Familienmitglieder zu entlasten (vgl.  *]), übernahm Mitte der 1920er Jahre schliesslich Hermann die Betriebe in Gletsch ganz, die Erben Alexanders des Jüngeren schieden aus (vgl. zum Grund für das unternehmerische Engagement: Vita Dr. Hermann Seiler, in: Gegenwarts- und Zukunftsprobleme des schweizerischen Fremdenverkehrs. Festgabe für Hermann Seiler, hrsg. vom Schweizerischen Fremdenverkehrsverband, Zürich 1946, S. 172 oberster Absatz). Joseph blieb aber uneingeschränkter Leiter bis zu seinem Tode im Jahre 1929.

Anspruchshöhe. In den 1920er Jahren waren die Ansprüche Reisender, die an der Passstrassenverzweigung Halt machten, teils noch so hoch wie heute in der Schweiz in keinem Hotel mit ausgeprägter Transitstationsfunktion mehr: man wird „von Kellnern im Frack bedient, isst das Menu eines Grand Hotels und hat als Tischgenossen Gentlimen im Smoking und Ladies in tiefster Ausgeschnittenheit“ (Hans Schmid: Gletsch, in: St. Jodern-Kalender, Sitten 1928, Jahrg. 5, S. 50).

Weiterer Tätigkeitshorizont. Hermann Seiler widmete sich seit 1920 hauptsächlich als Generaldirektor dem mit sieben (bzw. zeitweise acht) Hotels und rund 1000 Gastbetten weitaus grösseren und gefährdeteren Unternehmen im Matterhorndorf [ Prospekt der Hotels Seiler Zermatt in den früheren 1920er Jahren] [ Prospekt der Hotels Seiler Zermatt in den frühen 1930er Jahren], das er „mit eiserner, zäher Energie und mit bewundernswerter Schaffenskraft“ (Franz Seiler in seinem schriftlichen Nachruf vom 29. August 1964) [ Ausführliche Zitierung] aus der Kriegs- und Nachkriegskrise herausführte, verbandspolitischen und politischen Chargen. (Der promovierte Jurist war Stadtpräsident von Brig und 1910 bis 1920 Walliser Staatsrat gewesen und wirkte in der Folge, während seiner Zermatter Generaldirektion, u. a. als Nationalrat, Zentralpräsident des Schweizer Hoteliervereins, Präsident der Alliance internationale de l’ hôtellerie, Vizepräsident des Schweizerischen Fremdenverkehrsverbandes und der Schweizerischen Verkehrszentrale, Verwaltungsrat der Schweizerischen Bundesbahnen und der Bern-Lötschberg-Simplon Bahn, Mitglied der Schweizerischen Handelskammer und Regimentskommandant. [ Biografische Daten im Spiegel der Schweizer Presse])

Initiativen beim Rhonegletscher. In Gletsch verwirklichte seit den 1930er Jahren der hotelunternehmerisch tätige Sohn von Hermann, Eduard Seiler (1908–1976), mannigfache Angebote, die während der kurzen Sommersaison die Gästefrequenz der Hotels erhöhten: so Führungen durch die Antiquitätensammlung des Hotels Glacier du Rhône; Auto-Rallies als Sternfahrten mit Ziel Gletsch in Zusammenarbeit mit dem Automobil-Club der Schweiz; Schweizerische Auto-Ski-Meetings am Rhonegletscher (vgl. die Hinweise im Literaturverzeichnis‘); eine den Hotels angeschlossene Bergsteigerschule [Illustration: Programm der Ecôle d' Alpinisme au Glacier du Rhône des Jahres 1936]; Sommerskikurse auf den Gletschern; Beleuchtung des Rhonegletscherbruchs mittels hoteleigener Scheinwerferinstallation mit nächtlicher Fahrt im Hotelautomobil in die Nähe des Eises.

Häuser in Bern und am Zürichsee. Aus den beiden Hotels beim Ursprung der Rhone entwickelten sich seit Anfang der 1940er Jahre an Orten ohne strikte lagebedingte Beschränkung der Betriebszeit auf einen Jahresbruchteil, in Bern und bei Zürich, gastgewerbliche Unternehmen, die nach Stil, qualifiziertem Interieur und hervorragender Situation tradierte Vorgaben aufnahmen: in der ersten Hälfte der 1940er Jahre das Restaurant Ermitage in der Berner Altstadt (dessen Carnotzet auf das Walliser Interieur des Glacier du Rhône verwies), „eine Gaststätte, die zu den schönsten im ganzen Lande“ (Berner Tagblatt vom 30. November 1946, Nr. 329, S. 4) gezählt werden konnte, und um 1950 das „traumhaft gelegen[e]“ (Neue Zürcher Zeitung vom 30. September 2005, Nr. 228, S. 51) Restaurant und später, seit 1961, auch Hotel Ermitage in Küsnacht am Zürichsee, aus der Warte der Neuen Zürcher Zeitung vom 29. Januar 1993 (Nr. 23, S. 50) nach Architektur und örtlicher Gelegenheit „ein kleines Juwel“.

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Dialektik von Lebenskultur, Natur und Landschaft als hotelunternehmerisches Thema variierte seit Beginn der 1950er Jahre die wenige Minuten von der Wirtschaftsmetropole Zürich entfernt unmittelbar am See gelegene Ermitage. (Aufnahme der 1960er Jahre.)

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Dialektik von Lebenskultur, Natur und Landschaft als hotelunternehmerisches Thema variierte seit Ende der 1940er Jahre die zehn Minuten von der Wirtschaftsmetropole Zürich entfernt unmittelbar am See gelegene Ermitage, (laut Neue Zürcher Zeitung vom 29. Januar 1993) „ein kleines Juwel“ (Aufnahme der 1970er Jahre).

Im Umschwung des Hauses am Ufer sah die Zürichsee-Zeitung vom 16. August 1974 (Nr. 188, Seite 15) einen „Garten Eden des 20. Jahrhunderts“. (Aufnahme um 1975.)

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Ein renommierter amerikanische Reiseführer, Fielding's Travel Guide to Europe, New York 1956/7, urteilte im Jahrzehnt der Eröffnung über das Gebotene (S. 763): „In Zurich, top honors go to Seiler's Ermitage — one of the 2 greatest restaurants of Switzerland. Lovely lakeside country-house situation at Kusnacht-Zurich ...“. Anderthalb Jahrzehnte später schrieb die Neue Zürcher Zeitung vom 9. November 1971 (Nr. 522, S. 24): „Nach einem Besuch im Ermitage wird man kaum zurückhaltend sein im Lob ...“. „[D]urant au moins deux décennies la meilleure adresse autour du lac de Zürich“, meint im Rückblick Albert Ostertag, während Jahrzehnten Chef Concierge im Zürcher Baur au Lac, ehemaliger Präsident der Schweizerischen und der internationalen Concierge-Vereinigung ‚Les Clefs d’ Or‘, aus der Warte eines professonellen Ratgebers der anspruchsvollsten unter den Zürcher Hotelgästen (in einer schriftlichen Hommage des Jahres 2009). Letzteres Haus führte in der Nordschweiz das hundertjährige Hauptthema der beruflichen Familientradition, jenes der Gastung an exzeptionellen landschaftlichen Lagen, weiter.

Seit den 1970er Jahren war die Küsnachter Ermitage eines der damals in der Schweiz noch sehr wenigen Mitglieder der Relais & Châteaux-Gruppe. Als Vizepräsident der Schweizer Sektion förderte Eduard Seiler die Entwicklung dieser wohl exklusivsten weltweiten Vereinigung privat geführter Hotels.

Der für die beiden Restaurants und das Hotel wiederholt gewählte Namen evozierte geistreich-halbironisch in mehrfachem Sinne auf der Folie der St. Wendelins-Legende den Bezug der im Flachland geschaffenen gastlichen Orte und von deren Namensgeber zur Walliser Heimat und zum Haus am Fusse des Rhonegletschers . 1. *] 2. *]

 

 

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